Sommerbank

Jetzt stehe ich hier seit ein paar Jahren. Eigentlich hatte ich mich um einen Platz in einem urbanen Innenraum beworben mit Dach und viel Glas und Ausblick. Wissen sie, so ein gepflegter öffentlicher Raum, in der Großstadt, die Neue Staatsbibliothek in Berlin mit Blick auf den Tiergarten hatte ich mir vorgestellt. Was für ein herrlicher Ausblick, selbst im Winter. Und die Leute die kommen, sind belesen und gebildet, sie reden über Kunst und Wissenschaft und Literatur und Philosophie. Aber trotz aller Bemühungen und Bewerbungen ist nichts daraus geworden.

Das öffentliche europaweite Ausschreibungsverfahren hat mich zu einer Parkbank in einer Kleinstadt gemacht. Wenigstens bekam ich den klassischen Look, eine solide Basis aus Gusseisen, geschwungen, gutes Holz, rot lackiert. Oben ist auf einem Messingschild eine kleine Anschrift angebracht: Im Andenken an Gertrude Müller, sie liebte die Enten im Stadtteich.

Regen, Eis, Schnee, Sonne, mein Lack ist solide, meine Eleganz unverwüstlich. Ich habe gehört, es gibt neuere Modelle aus Metall. Die drahtigen Dinger tun mir leid, keine Substanz.

Und alle Menschen kommen zu mir und sie reden, mit sich selbst und mit anderen. Sie setzen sich hin. Sie schweigen, lachen, weinen, sie essen, trinken, kiffen, schmeißen Tabletten ein. Ich verstehe sie. Ich stütze und trage sie für eine Weile oder eine Nacht. Neulich kam ein Mann in seinem teuren Anzug, er legte sich hin, meine Frau hat mich rausgeschmissen, seufzte er, nahm einen Schluck aus der Flasche, furzte, rülpste, schlief ein und schnarchte. Als es anfing zu nieseln, machte er sich auf den Weg.

Im Sommer kommt manchmal die örtliche Jugend und feiert abends. An sonnigen Nachmittagen sitzen die Rentner auf mir, erzählen ihre Erinnerungen und füttern die Enten. Kleine Kinder steigen auf mich, schau, Mama schau und hüpfen runter. Abends bei Sonnenuntergang an lauen Sommerabenden bin ich besonders romantisch.

Wollt ihr wissen, wer wem die ewige Liebe versprach? Wer übers Meer mit einem kleinen Rucksack kam und sich nichts mehr wünschte als eine ruhige Nacht in einem bequemen Bett? Wer welche Partei wählt?

Nichts Menschliches ist mir fremd hier im Park in Weinstadt, dieser kleinen Stadt, und ich schweige, klassisch, elegant.

Nominiert für Preis und veröffentlicht in

HERBSTBLÄTTER, Kurzgeschichten 2024, Schreibwettbewerb der Stadtbücherei Weinstadt

22. November 2024  

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Berlin