Ella hat es sich gut eingerichtet in ihrem Leben, vergleichende Literaturwissenschaften studiert, weil es sie interessierte und ihr Vater es finanzierte. Den Georg heiratete sie nicht, obwohl sie ihn gerne mochte, aber der Gedanke an ein gemeinsames Leben war ihr unerträglich.
Nach dem Studium fing sie als Assistentin bei einem großen Mittelständler an, jetzt organisiert sie dort den Chef und bereitet alle wichtigen Entscheidungen vor. Dazu hat sie sich eine Uniform aus Blau, Grau und Weiß zugelegt mit rot, gelb und grünen Farbtupfern dazwischen, die fast wie Abzeichen aussehen. Ihr Schmuck ist nicht wertvoll, aber sieht nicht billig aus. Ihrer Termine beim Friseur oder der Kosmetikerin versäumt sie nie. Bei der Arbeit kennt sie jeder, sieht sie jeder, grüßt sie jeder. Wenn sie im Raum ist, werden die jungen Kerle, die Karriere machen wollen, etwas nervös und rutschen auf den Stühlen hin und her.
Sie hat ein paar Freunde in der Stadt, ihre Eltern, zweimal in der Woche geht sie zum Sport und sie singt.
Einmal im Monat sagt sie freitags zu ihrem Chef, ich bin dann weg und sie geht eine Stunde früher. Der wünscht schönes Wochenende. Sie macht sich auf den Weg zu Terry, Terry der Pianist in Berlin. Sie traf Terry vor Jahren in den Semesterferien an einem Bahnhof. Er spielte Gitarre, sie sang. Sie tauschten Telefonnummern. Nach den Ferien beschloss sie, Georg nicht zu heiraten.
In Berlin wohnt sie immer bei Terry. Samstag Abend schenkt sie sich ein kaltes Glas Schampus ein und geht an ihren großen Schrank in Terrys Wohnung, öffnet ihn und aus ihm quillt purpurrot, silber, lindgrün, türkis, pink, lila, violett, zitronengelb, meerblau, himmelblau, orange, gold, farbige Farben, Farborgie, Samt, Seide, Lack, Plüsch, Tüll, Blisse, alle Muster, alle Schitte, lang, kurz, mini, nichts, sexy.
Sie nimmt sich Zeit, Makeup, Haare, zwei Stunden später ist sie die Schönste der Berliner Nacht. Terry trägt eine Fliege, weißes Hemd mit steifem Kragen, schwarzen Smoking und küsst sie verträumt auf die Stirn.
Sie steigen in ein Taxi, fahren nach Friedrichshain, in die Bar, in der sich in den frühen Stunden alle treffen. Terry spielt Klavier, sie singt. Die jungen Männer, die Karriere machen wollen, werden etwas nervös und lauschen still.
©2023 Martin Hönle